Nachdem Frank seine Situation beschrieben hat, bin nun ich an der Reihe. Meine Komfortzone ist hier in Eppelborn im Heimathafen bei meinem Bruder riesengroß. Im Gegensatz zu Frank, der in der Marina die Dusche mit vielen Personen teilen muß, habe ich ein Bad mit Dusche für mich alleine. Welch ein Luxus auf der einen Seite und welche Risikolosigkeit mich während des Duschens anzustecken. An Bord gibt es noch genügend Desinfektionmittel, sodass Frank sich ausreichend schützen kann.

Frank hat seine tägliche VHF Runde, die Telefonate mit mir, seiner Mama und seiner Schwester und gelegentlich meldet sich ein Freund bei ihm. Meine Kontakte, rein menschlich direkt, begrenzen sich auf meinen Bruder Markus und seine Frau Corinne, sowie Frank’s Mama und seine Schwester Birgit. Mit ihr gehe ich spazieren. Meine Schwiegermama versorge ich mit Lebensmitteln. Meine Mama kann ich nicht mehr sehen, da sie in einem Pflegeheim untergebracht ist und seit fast 14 Tagen ein Kontaktverbot gilt.

Was mache ich den lieben langen Tag? Aufstehen, Yoga, Frühstück, Duschen. Irgend etwas ist immer zu putzen, waschen oder zu organisieren. Ich backe mein Brot selber, im Moment ist Dinkel – Walnussbrot mein absoluter Favorit. Grüne Smoothies und viel Tee halten mich warm und bisher gesund. Einkaufen gehe ich nur dann, wenn ich etwas benötige, im Wechsel mit Corinne, sodass wir die Ansteckungsgefahr einschränken können. Da es hier in Deutschland sonnig aber kalt ist, gehe ich jeden Tag an die frische Luft. Das Virus hat uns und unser Leben im Griff. Was vor 2 Monaten üblich und normal war, ist verboten oder eingeschränkt. Wenn es mich und meine Liebsten schützt, bin ich gerne bereit zu verzichten. Dies fällt uns, die wir auf Booten leben vielleicht auch leichter, denn es gehört zu unserem Alltag. Wir sparen Wasser und Energie, denn beides ist an Bord nur begrenzt vorrätig. Wir passen unser Leben den Jahreszeiten an, die Sonne gibt uns den Takt vor. Lebensmittel werden bevorratet und sind für 4- 6 Wochen an Bord und werden mit frischem Obst, Salat und Gemüse aufgepeppt. So habe ich mich, als ich nach Deutschland kam bevorratet, alles Notwendige ist im Haus und in der Tiefkühltruhe. Es fehlt an nichts, auch nicht an Toilettenpapier.
So hat das Virus also unser Leben verändert. Wie schön also, die Wochen seit Januar Revue passieren zu lassen.
Beginnen möchte ich mit einem Treffen mit Segelfreunden im Januar in Mutzig. Während Anja und Klaus aus der Schweiz anreisen, kommen wir aus dem Saarland ins Elsass., unglaublich, da dort, wo wir uns trafen nun das Epizentrum der Corona Erkrankungen in Frankreich liegt.
Bisher haben wir uns persönlich noch nicht getroffen, ich hatte seit circa 3 Jahren oft intensiven Kontakt zu Anja via Facebook und Messenger. Unsere gemeinsame Leidenschaft zum Segeln hat uns zusammengeführt. Während Frank und ich bereits auf unserem Boot im Mittelmeer leben, können Anja und Klaus nur die Urlaube nutzen. Sie befinden sich auf einer Balticrunde und veröffentlichen auf YouTube Filmchen über ihre Erlebnisse. In Mutzig treffen wir uns im Bärenhotel, mitten im Dorf am Brunnen gelegen. Der Bär zieht seine Spuren durch das komplette Hotel, in keinem Raum fehlt das Tier, selbst die Weihnachtsdeko folgt dem Motto. Am ersten Abend genießen wir ein Feinschmecker Menü und fallen weit nach Mitternacht gesättigt ins Bett. Am nächsten Tag genießen wir die Sonne bei einem langen Spaziergang zur Feste Kaiser Wilhelm II hoch über dem Ort gelegen. Es war die erste moderne Festung der Welt. Wir erkunden das alltägliche Leben von 7000 Soldaten zwischen 1914 und 1918. Wir steigen hinab in kühle 14 ° kalte Räume und laufen mehr als 2 km unterirdisch durch die Verteidigungsanlage. Wir sehen Schlafräume, Waschgelegenheiten, Küchen und Lazarette. Tatsächlich wurde hier nie ein Schuss abgefeuert. Der junge Franzose, der uns durch die Feste führt betont in ausgezeichnetem Deutsch die Bedeutung von einem geeinten Europa für diese Grenzregion.
Geschichte macht hungrig, so genießen wir am Abend elsässische Spezialitäten und plaudern bei einem guten Wein über unsere Leben, Boote und Vorhaben. Nach einem Spaziergang durch den Ort heißt es am nächsten Mittag Abschied nehmen. Wir haben uns auf Anhieb prächtig verstanden und freuen uns auf ein Wiedersehen.
In Deutschland treffen wir uns mit Freunden, fahren auf die Boot nach Düsseldorf und dann heißt es schon wieder hasta luego, denn ich fliege Anfang März bereits wieder nach Deutschland.
In Spanien landen Frank und ich in der ersten Woche gleich mal mit Grippe im Bett. Während Frank sich zügig erholt, dauert es bei mir 14 Tage, bis ich den Kopf nochmals heben kann, Corona Virus? Wir wissen es nicht.
Aber gerade rechtzeitig zu meinem Geburtstag bin ich wieder fit und wir verbringen einen wunderschönen Tag am Strand gemeinsam mit unseren Freunden von Odin – X Michaela und Sven, bei Tapas und einem fruchtigen Weißwein.
Am 20. Februar besuchen wir Pascale und Gerrit von Mojito in Torrevieja. Die Sonne scheint warm und lädt ein zu einem ausgedehnten Strandspaziergang und ausgiebigen Gesprächen, haben wir uns doch seit Oktober nicht mehr gesehen.

Am nächsten Morgen mache ich mich schon früh auf, den Markt zu besuchen. Die Erdbeerzeit ist gekommen und die Früchte wurden jeden Tag größer und reifer. Der Preis stimmt und so schleppe ich 7,5 Kg Früchte an Bord, zusammen mit den übrigen Lebensmitteln wird mir der Weg zurück zum Boot lang, also rufe ich Frank an und bitte um Tragehilfe. An Bord beginnt gleich die Arbeit und am Samstag stehen 17 Gläser Erdbeermarmelade in Reih und Glied. Ich wurde rechtzeitig fertig, denn heute startet der spanische Karneval in die Endphase. Mittags sind wir in der Stadt unterwegs, um ein paar Gesangsgruppen zu hören. Am Abend lassen wir uns von tollen Kostümen und Tanzgruppen beim großen Umzug mitreißen, farbenprächtige, kunstvoll sind die Kostüme, die an uns vorüberziehen. Nach 4 Stunden sind wir erschlagen und gehen erschöpft zurück an Bord.

Im Gegensatz zu Deutschland ist es in Spanien warm und sonnig und dem sonntäglichen BBQ steht nichts im Wege, es sollte mein vorletztes sein, denn es kündigte sich viel Wind an.

Mit dem Auto machen wir uns auf nach La Unidad, um den Parque Minero zu besichtigen. Rund um Cartagena gibt es 1200 Minen, die ersten wurden bereits durch die Römer betrieben. Nachdem wir uns im Museum einen Überblick verschafft und Grundinformationen erhalten hatten, wurden wir mit einem kleinen Zug zur Mine gebracht. Ausstaffiert mit Haarnetz und Helm stiegen wir hinab in die Dunkelheit.

Ich hielt mich direkt hinter unserem Führer auf, sodass ich von seiner Taschenlampe profitieren konnte. Das Areal der Mountain Range beläuft sich auf 50000 qm und verläuft über 5 Ebenen, bis zur 4. können wir absteigen, die 5. ist geflutet.

Wir können nur erahnen, wie mühevoll die Arbeit hier war. Im letzten Jahrhundert wurde an 7 Tagen der Woche malocht, um täglich 37 Wagen a 1000 Kg Eisenerz zu fördern. Erst wenn diese Menge erreicht war, durften die Arbeiter nach Hause gehen. Der Heimweg war lang, denn die wenigsten Arbeiter wohnten in La Unidad. Entlohnt wurde nicht mit Bargeld, sondern mit Gutscheinen. So profitierten die Minenbesitzer gleich doppelt, denn ihnen gehörten auch die Läden, in denen die Gutscheine einzulösen waren. Durch die harten Arbeitsbedingungen wurden die Arbeiter nicht alt, arbeiteten doch jeweils nur 7 Männer auf einer Sohle. Nachdenklich und erschüttert verlassen wir die Mine.

Da in Cartagena immer etwas los ist, besichtigen wir ein Marineversorungsschiff, das für 2 Tage im Hafen festmacht. Ein Matrose führt uns, denn in den endlosen Gängen hat man sich schnell verlaufen. Beeindruckend ist es schon, auf der riesigen Brücke zu stehen, mit all dem technischen Gerät, was der Marine zur Verfügung steht.
Und da man mit einer Besichtigung nicht ausgelastet ist, gehen wir im Anschluss zur Bike und Car Ausstellung direkt bei der Marina.

Wir lassen uns ein frisch gezapftes Bier schmecken und hören der Lifemusik zu, die wir dank der Nähe zur Marina während 3 Tagen Ausstellung genießen können.
Die Zeit rast wie im Flug. Ein letztes Mal Wäsche waschen, die Schapps und Bilgen füllen, denn Frank soll es während meiner Abwesenheit an nichts mangeln. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nichts, von der rasanten Corona Entwicklung, die wenige Tage später in Spanien zu Ausgangssperren und Flugstornierungen führen sollte.
Geplant war, dass Frank am 29.3. nach Deutschland kommt, um am 4.4. den 80. Geburtstag seiner Mama zu feiern.
Morgen ist unser 1000. Tag an Bord, wie traurig. Es wird keine Flasche Champagner geköpft, die Zeiten sind zu schlimm, die Crew getrennt und separiert. Hoffen wir, dass diese Krise schnell vorüber geht und die Mannschaft sich in Deutschland wieder trifft. Wann wir weitersegeln und wohin, steht momentan in den Sternen.
Ich wünsche Euch allen: bleibt gesund und verzweifelt nicht. Denkt mit aller Kraft an die Zukunft und vergesst uns nicht!
